Diese Blogartikel-Reihe entstand in Zusammenarbeit mit Matthias »Howauchever« (so zu finden in den Social Media), der seit vielen Jahren Schwertkampf bei Larp-Turnieren betreibt und außerdem in seiner Freizeit unserer Rollenspielgruppe als respektabler und auf Krawall gebürsteter Zwergenkleriker zur Seite steht. 😉 Mein persönliches Wissen über Kämpfe beschränkt sich dagegen vor allem auf das Spielen von Dark Souls u. ä., was mich aber trotzdem nicht davon abhält, Fantasyromane über Ritter zu schreiben. Um den größten Murks zu vermeiden, habe ich Matthias gebeten, mir ein paar Basics des europäisch-mittelalterlichen Kampfes zu erklären, wozu er freundlicherweise bereit war. Hier teile ich seine Informationen mit euch (ok, ein wenig Recherche meinerseits ist auch dabei). Ich hoffe, es hilft euch bei euren eigenen Geschichten weiter.
Vielen Dank, Matthias!
Inhalt
Warum du kämpfst, zeigt, wer du bist
Der japanische Schwertkämpfer Miyamoto Musashi zog Ende des 16. Jahrhunderts in seiner Heimat umher, kämpfte in mehreren Kriegen, forderte zahlreiche Gegner zum Duell und tötete sie. Warum tat er das? Zwangen ihn seine Ehre und gesellschaftliche Verpflichtungen? Hatte er Spaß am Kämpfen und Töten? Wollte er sich beweisen? Offenbar war er ein Mann mit vielen Talenten und hätte theoretisch auch einen anderen Lebensweg einschlagen können. Was sagt das über ihn aus? Wie würdest du ihm begegnen – mit Respekt, mit Misstrauen, mit Entsetzen?
Musashis Leben ist längst eine Legende, die Wahrheit über ihn kennen wir nicht. Als Autor*innen haben wir aber alle Möglichkeiten, eine eigene Wahrheit über unsere Figuren zu erschaffen. Bevor gekämpft wird, stellt sich die Frage: Wie ist die Figur in diese Situation hineingeraten? Hat sie sich selbst für diesen Weg entschieden, oder zwingen sie äußere Umstände? Ist sie zufrieden mit der Situation, oder hadert sie damit, jemandem im Gefecht auf Leben und Tod gegenüber zu stehen? Diese Fragen sind wichtig. Sie bestimmen, wie die Figur beim Lesen wahrgenommen wird. Eine Figur, die aus nachvollziehbaren (nicht unbedingt »guten«) Gründen zur Waffe greift, wird eher Sympathien wecken als eine, die einfach nur Spaß am Kampf hat. Hier besteht die Chance für differenzierte oder einfache Charakterisierungen, für Zuneigung oder Abscheu.
Wer gewinnen will, will überleben
Hat der Kampf erst einmal angefangen, wird wahrscheinlich nur ein*e Gegner*in überleben. Das heißt: Beide werden alles geben, damit sie es sind. Sie werden all ihr Können und ihre Erfahrung einsetzen, die Stärke ihrer Waffen, die Besonderheiten der Umgebung. Letzten Endes gibt es keinen »ehrenhaften Kampf«, genau so, wie es keine »schmutzigen Tricks« gibt. Alles zielt darauf, den*die Gegner*in im wahrsten Sinn des Worts außer Gefecht zu setzen, gleichgültig wie. Dazu dient die Ausbildung, dazu sind die Waffen geschmiedet. Eine solche Situation lässt sich nur noch mit größer Mühe friedlich oder schön auflösen (oder wie Matthias es ausdrückt »Nett kann man sein, wenn man wieder zu Hause ist«). Wenn wir als Autor*innen die Rollen von Gut und Böse festlegen wollen, sollten wir es daher vor dem Kampf tun. Von ganz allein wird dann alles, was die Figuren während des Kampfes tun, wie ein schurkischer Zug oder ein tollkühnes Manöver wirken.
Reale Gegner haben keine Hitpoints
Wir kennen es aus Computerspielen: Nachdem wir mindestens zweihundert Mal auf das Monster eingeschlagen haben, sinkt seine Hitpoint-Leiste allmählich in Richtung Null. Ganz anders bei realen Kämpfen: Hier reicht ein Treffer gewöhnlich aus, um zu siegen. Ein einziger Schwerthieb, der die Rüstung durchdringt, schlägt tiefe Wunden oder, die noch unangenehmere Variante, trennt Gliedmaßen ab. Wer so schwer verletzt oder verstümmelt wurde, hat keine Chance mehr. Das Problem besteht darin, diesen entscheidenden Treffer als erste*r zu landen. Wenn es für beide schlecht läuft, können sie sich auch zeitgleich gegenseitig erledigen.
Daher enden die meisten Zweikämpfe sehr schnell. Schon die ersten Sekunden können entscheidend sein. Falls es doch länger dauert: Nach maximal fünf Minuten ist endgültig Schluss. Länger kann ein so aufreibender körperlicher Einsatz nicht durchgehalten werden. Diese Zeit dürfte den Kämpfenden aber auch wie eine halbe Ewigkeit vorkommen. (Na, wer hat schon mal zwanzig Minuten und länger gegen einen Bossgegner beim Gaming gekämpft? Hand hoch!)
Training macht den Unterschied
Wer wie ich gern japanische Animes schaut, lernt dort immer wieder, wie bedeutend viel regelmäßiges Training ist, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. In europäischen Settings, Fantasy oder nicht, spielt dieser Aspekt oft keine so große Rolle. Sollte er aber! Wenn ich als Autorin meine Ritterin zum ersten Mal in den Kampf schicke, hat sie mindestens sechs Jahre tägliches Training hinter sich. (Selbst »Hobby«-Kämpfer wie Matthias üben jeden Tag mindestens 15 Minuten). Besonders wichtig sind dabei die Grundschläge (Angriffe auf verschiedene Körperstellen), die der Ritterin in Fleisch und Blut übergehen müssen. Wenn sie sich einem Gegner gegenüber sieht, darf sie nicht erst überlegen, wo sie angreifen will und was sie dafür tun muss. Sobald es eine Blöße gibt, muss sie die Gelegenheit sofort nutzen können.
Zudem hilfreich zu wissen: Auch wenn meine Ritterin eine Plattenrüstung trägt, wird sie dadurch in ihrer Gewandtheit kaum eingeschränkt, weil sie durch das lange Training an das Gewicht der Rüstung gewöhnt ist. Durch ihre Ausbildung ist sie im Kampf sehr flexibel und kann sich einer neuen Situation rasch anpassen. Sie beherrscht unterschiedliche Arten von Waffen und kann in jeder Hand eine Waffe führen. Das ist wichtig, falls sie ihre bevorzugte Hand nicht mehr benutzen kann. Alternativ kann sie zwischen dem Kampf mit zwei Waffen und dem mit einer Waffe und dem Schild wechseln. Außerdem ist sie im unbewaffneten Kampf ausgebildet und beherrscht das Boxen und Ringen. Leg dich besser nicht mit ihr in einer Kneipenschlägerei an!
Mein erstes Fazit
Was ich daraus als Autorin für mich mitgenommen habe:
- Ich überlege mir gut, warum und wie meine Figuren in Kämpfe hineingeraten. Das ist wichtig für ihre Charakterisierung. Ihr Hintergrund spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle.
- Jemanden durch »fiese Tricks« im Kampf als negative Figur charakterisieren zu wollen, ist dagegen nicht sinnvoll, da Kämpfen grundsätzlich »fies« ist.
- Man muss eine*n Gegner*in nicht mehrfach treffen, um ihn zu besiegen (riesige Monster vielleicht ausgenommen). 😉
- Der bisherige Alltag meiner Figuren bestand vermutlich zum großen Teil aus Training.
- Sie sind durch ihr Training schneller und flexibler, als ich bisher angenommen hatte. Den Kampf mit zwei Waffen zu beherrschen, ist nichts Besonderes und kennzeichnet keine übermäßig coole Figur. 😉
Das erst einmal zu den Grundlagen der Grundlagen. Beim nächsten Mal geht es weiter mit etwas genaueren Beschreibungen von Kampftaktiken und dem Kampf mit unterschiedlichen Arten von Waffen.
Wusstet ihr all das schon oder ist etwas davon neu für euch? Hilft es euch weiter? Ich freue mich über eure Rückmeldungen!
Eure Kaja
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Sehr schöner Beitrag. Zu oft sind Kampfszenen so derartig unrealistisch dargestellt, dass einem die Lust am weiterlesen genommen wird.
Vielen Dank! Ich werde die Rückmeldung gern an Matthias weitergeben. Außerdem freue ich mich sehr, dass du dich für meinen Newsletter angemeldet hast. Ich wünsche dir ganz viel Spaß auf meiner Homepage!
Herzliche Grüße, deine Kaja 🙂
Hallo, erstmal muß ich auch sagen, dass es ein sehr schöner Beitrag ist. Beim Schreiben (bei mir eher Kurzgeschichten bzw. für Pen&Paper) versuche ich mir den Kampf auch immer vorzustellen, wer steht wo, geht die Bewegung überhaupt und so weiter. Da ich selbst keine Kampferfahrung habe (nein, ich glaube nicht, dass 2 Jahre Aikido unter Kampferfahrung fällt 😉 ), schnapp ich mir manchmal ein Familienmitglied und dann wird ausprobiert. Und wenn das Nachstellen klappt, dann hoffe ich, das der Rest durch die Fantasy der Leserin oder des Mitspielers zu einem tollen Kopfkino führt.
Hallo Ben,
herzlichen Dank für deinen Kommentar, über den ich mich natürlich sehr freue! 🙂 Also, mit zwei Jahren Aikido hast du definitiv mehr Kampferfahrung als ich (es sei denn, das Spielen von Dark Souls zählt dazu). Nachstellen ist generell eine gute Idee, vielleicht sollte ich das auch mal vermehrt probieren.