Pensumsschreiben: Anleitung und Tipps

Dies ist ein „Reblog“ des Beitrags vom letzten Jahr, überarbeitet.

Kleine historische Anmerkung: „Pensum“ bezeichnet im Lateinischen die Menge Wolle, die eine römische Frau im Verlauf des Tages zu spinnen hat. In diesem Fall bezeichnet sie die Textmenge, die ein*e Autor*in am Tag schreiben möchte.

Ich bin seit vielen Jahren überzeugte Pensumsschreiberin. Natürlich liegt diese Art zu arbeiten nicht jedem. In diesem Beitrag möchte ich ein wenig Werbung für das Pensumsschreiben machen und allen, die es ebenfalls versuchen wollen, den einen oder anderen Tipp geben.

Warum Pensumsschreiben?

Auch wenn es banal klingt: Romane sind lang, und es dauert eine Weile bis zur Fertigstellung. Selbst eine explosive Inspiration und einige durchgearbeitete Nächte führen gewöhnlich nicht zu einem fertigen Manuskript. Pensumsschreiben sorgt dafür, dass ein Roman langsam und stetig länger wird, ja dafür, dass er irgendwann fertig ist. Ich habe im Vergleich mit anderen Autoren, die zeitgleich mit mir an einem Roman arbeiteten, häufiger die Erfahrung gemacht, dass ich zwar anfangs viel weniger Text hatte, die anderen im Lauf der Zeit aber im Hinblick auf die Textmenge „einholte“ und sogar „überholte“

Ein weiterer, in meinen Augen fast noch wichtigerer Punkt: Wer täglich ein wenig an seinen Texten arbeitet, gibt sich selbst die belebende Dosis Kreativität, die man oft braucht, um den Tag zu überstehen. Außerdem ist Pensumsschreiben ein gutes Mittel gegen Stress, Zeitmangel und Schreibfrust. Wer keine 10 Seiten geniale Ergüsse aufs Papier flammen kann, weil ihm die Zeit oder das Selbstbewusstsein fehlen, ist meist doch noch in der Lage, sich irgendwie 250 Wörter aus der Nase zu ziehen. Und das ist doch immerhin etwas

Wer am Sinn des Pensumsschreibens zweifelt, kann einfach mal nachrechnen: Ein Kapitel hat im Schnitt vielleicht ca. 3000 Wörter. Bei meinen Kapiteln kommt das ganz gut hin. Nach einem Tag habe ich vielleicht 500 Wörter, nach zwei Tagen 1000, nach 6 Tagen ein fertiges Kapitel und nach weniger als zwei Wochen zwei in Rohfassung fertige Kapitel. Und so fort. Ein fertiger Roman besteht aus lauter Einzelkapiteln. Wie meine koreanische Kommilitonin, deren Name, wie sie sagte, „große Weisheit“ bedeutete, zu zitieren pflegte: „Aus Staub entstehen Berge“.

Auch diese beeindruckenden Berge der schottischen Highlands bestehen aus Staub!

Wofür ist Pensumsschreiben geeignet?

Generell für alle Arten von längeren Texten. Also nicht nur für Romane, sondern auch z. B. für wissenschaftliche Arbeiten. Ich habe mit dieser Methode meine Doktorarbeit fertig gestellt. Auch Sachbücher lassen sich so sicherlich schreibe.

Wie kann ich es anpacken?

Allen, die das Pensumsschreiben ausprobieren möchten, rate ich, sich erst einmal ein Bild von der eigenen Situation zu machen und sich die Frage zu stellen: „Welches Pensum kann ich realistisch und mit Leichtigkeit täglich schreiben?“ Dabei kommt es auf jedes einzelne dieser Worte an.

Realistisch: Am wichtigsten ist es, sich ein Pensum auszuwählen, das man wirklich auf Dauer schaffen kann. Ich kenne viele, die Pensumsschreiben als Methode verstehen, möglichst schnell möglichst viel Text zu schreiben. Sie gehen daher von der maximalen Wortmenge aus, die sie mit äußerster Mühe und unter günstigen Bedingungen bewältigen können. Bloß nicht! Das Pensum sollte niedrig sein – so niedrig, dass es auf alle Fälle schaffbar ist. Mein „normales“ Pensum beträgt nur 500 Wörter, aber ich habe auch schon Romane mit einem Tagespensum von nur 250 Wörtern oder noch weniger geschrieben. Meiner Erfahrung nach kommt man bei unter 250 Wörtern schwer in den Schreibfluss, aber das ist sicher von Person zu Person unterschiedlich. Es ist natürlich immer ok, mehr zu schreiben als das Pensum oder das Pensum zu erhöhen, wenn es gut läuft oder auf einmal mehr Freizeit zur Verfügung steht. Aber ich rate dazu, sich nicht an einem Tag „leerzuschreiben“, sondern immer noch ein paar Wörter und Ideen für morgen aufzuheben.

Mit Leichtigkeit: Wie gesagt, das Pensum muss schaffbar sein. Auch dann, wenn nur 10 Minuten Zeit bleiben, um den Autorentraum zu leben. Auch dann, wenn man so frustriert ist, dass man die Tastatur lieber an die Wand werfen möchte, anstatt darauf zu tippen. Es muss so gut schaffbar sein, dass es immer möglich sein muss, sich zum Schreiben zu überwinden – eben weil man weiß, man wird diese Schreibsession mit dem Erfolgserlebnis verlassen, wieder das Tagespensum geschafft zu haben. Und es wird sich gut anfühlen.

Täglich: Genau. Täglich. Am besten sucht man sich feste Zeiten, zu denen man jeden Tag zuverlässig Zeit hat (bei mir ist es morgens vor der Arbeit). Nach meiner persönlichen Regel kann das Pensum weder vor- noch nachgearbeitet werden, eben weil es ein Tagespensum ist. Das verhindert, dass man „Soll“ anhäuft, das schließlich zu einem solchen Berg anwächst, dass es nie mehr aufgeholt werden kann. Im Gegenteil, man hat am nächsten Tag wieder genau dieselbe gute Aussicht, das Pensum zu schaffen, wie am vorigen. Damit mir Frust erspart bleibt, lege ich mir meist vorher fest, in welchen Fällen ich an einem Tag vom Schreiben „freigestellt“ bin (etwa bei vielen Terminen, unvorhergesehenen Ereignissen oder schlaflosen Nächten) oder ob ich einen oder zwei Tage in der Woche „schreibfrei“ machen möchte.

Meiner Erfahrung nach ist es nicht ganz ohne, sich in diese Art des Arbeitens einzufinden. Oft brauche ich anfangs länger, bis ich mir selbst ein niedriges Tagespensum aus den Fingern gequält habe. Es kann Wochen dauern, bis es richtig „flutscht“. Für den ersten Versuch sollte man sich daher etwas länger Zeit nehmen und nicht gleich nach zwei oder drei Tagen aufgeben, falls der Anfang schwierig ist. Pensumsschreiben benötigt zwar ein gewisses Maß an Disziplin, wird aber dadurch versüßt und vereinfacht, dass es – falls das Pensum richtig gewählt ist – machbar ist und den Schreibenden mit Erfolgserlebnissen belohnt.
Natürlich ist diese Arbeitsmethode, wie anfangs schon geschrieben, sicher nicht für jede(n) geeignet. Auch ist die hier vorgestellte Methode eher auf Hobby- und Nebenberufs-Autor_innen wie mich abgestimmt. Berufsautor_innen müssen sich zwangsläufig ein höheres Pensum setzen und können sich vermutlich weniger Ausnahmeregeln erlauben.

Einen weiteren Blogartikel zu den Vor- und Nachteilen verschieden hoher Pensen findet ihr hier.

Ich hoffe, ich konnte euch einen Einblick in meine Arbeitsweise geben und euch vielleicht ermutigen, trotz aller Hindernisse stetig an euren Romanen zu arbeiten und vielleicht auch einmal etwas Neues zu probieren.
Eure Erfahrungen würden mich interessieren. Habt ihr es schon einmal mit Pensumsschreiben versucht? Warum funktioniert es für euch (nicht)?
Und ob mit Pensum oder ohne: Haut in die Tasten, Leute.

Eure Kaja

2 Kommentare

  1. Topaz

    Liebe Kaja,

    vielen Dank für deinen hilfreichen Artikel zum Pensumsschreiben. Und das tolle Bild mit dem Berg, der aus Staub besteht.
    Letztes Jahr habe ich das 11 Monate geschafft. Dieses Jahr bin ich noch nicht recht in Schwung gekommen. Jetzt habe ich mir das Bild mit dem Berg aus Staub als Favorit gespeichert. Ich hoffe es hilft um wieder ins Pensumschreiben hineinzukommen.

    Ist es dir schon einmal passiert, dass du einen Tag nicht geschrieben hast und es dann schwer fandest wieder in den Rythmus hineinzukommen?

    Herzliche Grüße,
    Topaz

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    • Kaja

      Hallo Topaz,

      herzlichen Dank für deinen netten Kommentar, darüber habe ich mich sehr gefreut. <3 Ich wollte, mein ehemalige Kommilitonin wüsste, dass ihr Bild dir weiterhilft.

      11 Monate Pensumsschreiben ist der Hammer! Ein riesiger Erfolg. Dabei sind vermutlich mehrere Romane zusammengekommen.

      Was du beschreibst, ist mir sehr oft passiert. Wahrscheinlich gehört es zu dieser Art zu arbeiten dazu. Es ist sicher auch je nach Person unterschiedlich, eine wie lange Pause den Rhythmus unterbricht. Ich fürchte, wenn man erstmal raus ist, hilft nur, wieder einzusteigen - vielleicht für den Anfang mit niedrigerem Pensum. Übrigens ringe ich gerade genau mit diesem Problem, während ich die Antwort hier tippe. 😉 Aber wenn man sich oft diesen steinigen Pfad entlang gekämpft hat, weiß man, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit auch diesmal früher oder später wieder "reinkommt".

      Liebe Grüße
      Kaja

      Antworten

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