Pensumsschreiben: verschieden hohe Pensen

Mein letzter Blogbeitrag beschäftigte sich mit dem Pensumsschreiben. Dies ist eine Ergänzung, in der es um die Vor- und Nachteile verschieden hoher Pensen geht.

Wer ein zu hohes Pensum fährt und nur begrenzte Zeit zur Verfügung hat (z. B. wegen Beruf, Familie u. ä.), wird eventuell feststellen, dass die Handlung auf der Strecke bleibt, weil Zeit zum Plotten fehlt. Wer ein zu niedriges Pensum schreibt, kommt gar nicht erst richtig in die Geschichte rein. Welches Pensum ist das geeignete für dich? Ich schreibe im Folgenden aus meiner persönlichen Erfahrung. Sie muss nicht für dich zutreffen. Ich bin eine eher langsame Schreiberin, die ihre Geschichten vorher zwar plottet, aber nicht in allen Einzelheiten, und daher häufiger mal in ein kleines oder größeres Plotloch fällt.

Für die Berechnung unter jedem Pensum gehe ich davon aus, dass ein Kapitel ca. 3000 Wörter umfasst und ein ganzer Roman ca. 100.000 Wörter. Meine Kapitel und Romane sind so lang; wenn es bei dir anders ist, musst du entsprechend umrechnen. 😉 Ich gehe davon aus, dass 6 Tage die Woche mit diesem Pensum gearbeitet wird. Faktisch ist es aber so, dass man oft mehr (oder weniger) schreibt, als das Pensum erfordert. Daher ist die Berechnung nur sehr ungenau.

Du schreibst Romane? Dann lies weiter. Zum wissenschaftlichen Schreiben (Hausarbeiten, Bachelor-/Masterarbeiten, wissenschaftliche Aufsätze, Dissertation u. ä.) beachte bitte den Abschnitt dazu unten.


Niedriges Pensum: ca. 250 Wörter

Das ist das Pensum für alle, die wirklich wenig Zeit haben. Personen, deren Arbeitsschichten oder Care-Tätigkeiten, wie man so sagt, 12 Stunden oder mehr dauern. Die gute Nachricht: 250 Wörter lassen sich auch bei schlimmem Zeitmangel irgendwie immer bewältigen. Ich selbst habe mit diesem sehr niedrigen Pensum einen langen Roman zu Ende geschrieben, während ich Arbeitswochen zwischen 75 und 120 Stunden bestritten habe. Ist noch gar nicht allzu lange her. Was man natürlich auch hier irgendwie schaffen muss: für eine kurze Zeit den Kopf frei zu bekommen, sich hinzusetzen und sich auf die Geschichte zu konzentrieren (ich habe es morgens vor der Arbeit gemacht). Das niedrige Pensum erlaubt gestressten Seelen Urlaub im eigenen Kopf und ist daher eine Wohltat. Nach einer Weile kommt man auch hier einigermaßen in die Geschichte rein und schreibt manchmal von selbst mehr. Allerdings besteht die Gefahr, dass man einfach irgendwas schreibt, nur um das Pensum vollzubekommen – was bei 250 Wörtern sehr leicht möglich ist. Selbst wenn nicht: Natürlich macht der Roman so nur langsam Fortschritte, und professionelle Textarbeit (Überarbeitung usw.) braucht auch seine Zeit; die ist freilich nicht mit inbebgriffen. Aber wer so schwer beschäftigt ist, dass nur ein niedriges Pensum infrage kommt, ist wohl kein*e hauptberufliche*r Autor*in. Insofern … Schluss mit den Ausreden. Schreibt, Leute.

Berechnung: In 2 Wochen ist ein Kapitel schaffbar. Ein Roman dauert ca. 1 1/2 Jahre.

Mittleres Pensum: ca. 500 Wörter

Mit diesem Pensum arbeite ich selbst seit mehr als 10 Jahren. Es verbindet die Vorteile des niedrigen Pensums (Urlaub im Kopf, täglich schaffbar) mit denen des hohen (man steckt in der Geschichte drin, kommt ganz gut voran, der Plot bleibt nicht auf der Strecke). Es verbindet allerdings auch die Nachteile. Mit Schwafeln und wenig Plot-Fortschritt lassen sich auch 500 Wörter täglich bestreiten, und eventuell könnte man oft täglich noch mehr Zeit und Gehirnschmalz in die Geschichte stecken. Auch sprachliche Detailarbeit am Text ist neben dem eigentlichen Schreiben zeitlich noch locker drin. Daher kann ich dieses Pensum generell allen empfehlen, Berufstätigen, Eltern und Hobbyschreiber*innen (Profis werden wohl ein höheres Pensum wählen). Wer feststellt, dass das Pensum zu hoch oder zu niedrig ist, um zur eigenen Arbeitsweise zu passen, sollte sich ein anderes wählen.

Berechnung: Ein Kapitel pro Woche bei relativ wenig Arbeitsaufwand. Deal, oder? Ein Roman dauert ca. 7 – 8 Monate. Mein Tipp fürs Seelenheil: Zerbrich dir nicht den Kopf, dass du mit diesem Pensum wohl keine zwei Romane im Jahr schaffst. Überarbeite lieber den einen ordentlich, das kostet auch Zeit. Hättest du mehr davon, würdest du ein höheres Pensum wählen, oder? 😉

Hohes Pensum: ca. 750 Wörter

Mit diesem Pensum habe ich gearbeitet, wenn ich Abgabefristen einzuhalten hatte oder mir Feuer unterm Hintern machen wollte. Es ist noch immer relativ gut täglich schaffbar und sorgt somit dafür, dass der Plot über dem Schreiben noch genügend Aufmerksamkeit erfährt. Sprachliche Detailarbeit ist zeitlich ebenfalls noch möglich. Man macht gute Fortschritte, der Roman geht zügig voran. Meine Empfehlung für Hobbyschreiber*innen, die ihren Roman wirklich fertig stellen (und gegebenenfalls veröffentlichen) wollen. Empfehlenswert auch gegen Ende eines Projekts, um die Sache zu beschleunigen. Das hohe Pensum sorgt oft dafür, dass man in einen Schreibfluss gerät und mehr schreibt, als man ursprünglich vorhatte.

Berechnung: In der Woche sind ca. 1 1/2 Kapitel schaffbar; beim Einstellen des Schreib-Flows auch durchaus zwei. Zwei Romane im Jahr fertig zu stellen, ist mit diesem Pensum möglich. Ob noch Zeit für die Überarbeitung bleibt? Wenn du die Kapazitäten hast, dieses Pensum über längere Zeit aufrecht zu erhalten, wäre das denkbar.

Ambitioniertes Pensum: ca. 1000 Wörter

Dein Roman soll fertig werden? Am besten sofort? Ok, nächsten Monat? Gut; Zeit, etwas Gummi zu geben. Her mit dem ambitionierten Pensum. Hoffentlich weißt du, was du schreiben willst, denn für lange Überlegungen lässt dieses Pensum keine Zeit. Auch während des Schreibens am Text zu feilen, kann man vergessen. Was auch ein Vorteil sein kann, denn so ist wenigstens klar, dass die Rohfassung noch kein literarisches Meisterwerk sein kann oder muss. Dafür ist ein zügiger Fotschritt garantiert, und man gerät mit ziemlicher Sicherheit in den Schreibfluss und tief in die Geschichte hinein. Dieses Pensum auf Dauer einzuhalten, kostet Zeit und Anstrengung. Und es könnte regelmäßig dazu führen, dass man im Kopf noch an der Geschichte weiterschreibt, auch wenn man gerade eigentlich etwas völlig anderes machen wollte. Ich glaube zwar, dass es möglich ist, auch ganzjährig 1000 Wörter pro Tag zu schreiben, aber für Menschen, die einem regulären 8-Stunden-Job nachgehen und vielleicht noch Familie haben, könnte es aufreibend werden. Für bestimmte Phasen beim Schreiben dennoch ein guter Tipp.

Berechnung: Drei Romane pro Jahr könnte man mit diesem Pensum schaffen. Keine Ahnung, wann man sie noch überarbeiten möchte; parallel vielleicht? Für hauptberufliche Autor*innen mag das realistisch sein (schwer zu sagen; selbst kreative Menschen haben keinen Dauer-Output), bei anderen glaube ich persönlich, dass das ambitionierte Pensum nur phasenweise zum Einsatz kommen kann.

Irres Pensum: ca. 1500 Wörter

Beim NaNoWriMo schließen sich Schreiber*innen weltweit zusammen, um in einem Monat 50.000 Wörter zu schreiben. Das ergibt ein Tagespensum von ca. 1700 Wörtern (dafür werde ich jetzt keinen Extra-Absatz schreiben). Dieses Pensum ist ziemlich irre. Natürlich kann man problemlos an einem Tag mal so viel schreiben. Wer es über einen Monat versucht hat, wird feststellen, dass es wirklich anstrengend und aufreibend sein kann. Es dauerhaft zu machen, erfordert wahrhaftig viel Sitzfleisch und eine gute Konstitution. Auch psychisch; wer so viel Text in kurzer Zeit produziert, wird sich in den meisten Fällen damit auseinandersetzen müssen, dass das Produkt nicht perfekt ist. Kreative Menschen kennen den Rattenschwanz vernichtender Selbstzweifel, der an dieser Erkenntnis hängt. Und ganz abgesehen davon wird die Überarbeitung Zeit fressen, viel Zeit. Die Vorteile dieses Pensums sind allerdings auch irre: Man wird in die Geschichte eintauchen, von ihr absorbiert werden und, solange man schreibt, zwangsläufig viele Zweifel beiseite schieben lassen. Wenn man am gleichen Tag noch arbeiten und einkaufen will, hat man für sowas dann einfach keine Zeit. Ich empfehle allen, einmal beim NaNoWriMo mitzumachen und das irre Pensum und die Ausnahmesituation, mit der es das Leben überfällt, kennen zu lernen. Aber ich warne vor der Annahme, dass man dauerhaft so produktiv sein kann. Klar, Ausnahmen bestätigen die Regel!

Berechnung: Du willst ca. alle zwei Monate die Rohfassung eines Romans abschließen? Puh. Das wird hart. Hoffentlich bist du dann noch fit genug, um den Text zu überarbeiten. Für Schnellschreiber*innen und Langsam-Überarbeiter*innen wäre dies womöglich trotzdem eine Option, da dann die ruhige Phase eher nach dem Schreiben des Textes liegt.


Pensum bei wissenschaftlichen Texten

Wenn ich erzählt habe, dass ich am NaNoWriMo teilnehmen möchte, kam von Freund*innen und Kolleg*innen, die gerade promovieren, oft: „Klasse, da mache ich auch mit und schreibe dann jeden Tag 1700 Wörter an meiner Diss!“ – Tut mir leid, es zu sagen, aber: Nope. Das wird nicht funktionieren.

Warum nicht?

Nun, das „irre“ Pensum des NaNoWriMo ist vor allem für Romane gedacht. Es soll ermöglichen, beim Schreiben weniger nachzudenken, den inneren Kritiker abzustellen, das Kopfkino zu aktivieren und in einen intensiven Schreibfluss zu geraten. Wissenschaftliches Schreiben läuft anders. Es erfordert normalerweise gründliches Nachdenken, sorgfältiges Argumentieren und höchste Aufmerksamkeit (z. B. beim Verwenden von Fußnoten u. ä.). Daher geht es oft langsamer voran als Romanschreiben, und ein echter Schreib-Flow dürfte Seltenheitswert haben. Das bedeutet natürlich nicht, dass wissenschaftliches Schreiben keinen Spaß machen kann. Man sollte sich nur bewusst machen, dass Spaß nicht der Normalfall ist. Dieses Wissen verringert den Druck.

Daher empfehle ich dir, bei einem wissenschaftlichen Text ein eher niedriges Pensum zu wählen. Natürlich auch hier abhängig von der Zeit, die zur Verfügung steht. Wer ein Stipendium erhält oder Semesterferien hat, schafft sicher mehr als jemand, der mit Familie und Job nebenbei promoviert. Ich selbst habe meine Diss mit einem Tagespensum von 500 Wörtern gut geschafft. Man muss ja meist noch nebenbei andere Texte lesen, exzerpieren usw.


Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Blogartikel einen Überblick über Vor- und Nachteile verschieden hoher Schreib-Pensen verschaffen und dich ermutigen konnte, dich vielleicht einmal daran auszuprobieren. Besonders wichtig finde ich nach wie vor den Tipp, das Pensum nicht zu hoch anzusetzen. Versuche lieber, mit einem niedrigen zu starten. Falls du den Eindruck hast, dauerhaft mehr schaffen zu können, taste dich langsam nach oben.

Wie sieht dein Schreibstil aus? Hast du bevorzugte Schreib-Pensen oder arbeitest du völlig anders? Hinterlass mir doch eine Rückmeldung.

Herzliche Grüße, deine Kaja

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